Die Bertha-von-Suttner-Schule im Spiegel der Presse
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Freitag, 02.09.2011
Rubens und die Crashtest-Dummies
Siggi Liersch zeigt seine Kollagen bei denen es ihm darum ging, die Distanz zu den Werken zu verringern
"Kollaborationen" heißt die aktuelle Ausstellung im Rathaus Walldorf. Die Flurexponate kommen diesmal von Siggi Liersch, der mit einfachen Kollagen berühmten Meisterwerken eine ganz neue Botschaft einpflanzte.
Ein herrliches Gemälde von Michelangelo. Ein nackter Mann und eine nackte Frau auf einer paradiesischen Wiese. Beide wie mitten in der Bewegung erstarrt. Jeder Muskel ist erkennbar. Die Gesichter sind so plastisch, als könnten sie jeden Moment anfangen, mit dem Betrachter zu sprechen. Ein Genuss - aber was ist das? Zwischen den Oberschenkeln des Mannes ragt anstelle seines Geschlechtes ein langer Gießkannenhals hervor, der den Betrachter aus seiner Versunkenheit reißt.
Der 15. Teil der Ausstellungsreihe "Flurexponate" im Walldorfer Rathaus ist voller solcher Kontraste. Gemäß der lateinischen Bedeutung des Titels "Kollaborationen" kommen hier wirklich die ungewöhnlichsten Zusammenarbeiten zustande. So werden in augenzwinkernden Collagen die Aktmalereien der großen Meister von Haushaltsgegenständen, Popstars und Gegenwartspolitikern unterstützt. Da trifft Renoir auf Winnetou, Tizian auf Kehrschaufeln und Rembrandt auf eine Alarmanlage. Unter eine Reihe fülliger Diven von Rubens haben sich sogar zwei Crashtest-Dummies gemischt.
Zur Vernissage "Kollaborationen" waren viele Besucher gekommen, um die Arbeiten von Siggi Liersch zu begutachten.
Foto: Klaus Braungart
Kunst in der Alltagswelt
"Ich sehe mich selbst als Kleinkünstler", sagt der Schöpfer dieser bunten Vielfalt, Siggi Liersch. "Ich habe Spaß daran, Werke aus dem hehren Himmel der Kunst auf die Alltagswelt herunterzubrechen." Bei allem Klamauk geht es Liersch aber nicht darum, sich über die Kunstwerke lustig zu machen. Vielmehr will er die Distanz zu den Werken verringern. Bedenken, dass er so die Aura der Gemälde zerstören könnte, hat Liersch nicht. "Einem Botticelli kann ich doch nichts anhaben", erklärt er.
Entstanden sind die Kollagen schon 1993. Damals bearbeitete Liersch in seiner Freizeit ein Kunstbuch über den "Akt in der Malerei". Die Bilder darin überklebte er mit allem, was ihm gerade in den Sinn kam.
Das nötige Material schnitt Liersch aus Bauhauskatalogen oder Zeitungen aus. "Bei der Anordnung habe ich mich ganz auf mein Gefühl verlassen. Oftmals waren strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den fotografierten Gegenständen und den Aktmalereien der Anlass", erläutert der Künstler.
Siggi Liersch ist kein Unbekannter in Mörfelden-Walldorf. Der 57-Jährige lebt seit 1959 in der Doppelstadt. Nach seinem Germanistik- und Pädagogikstudium arbeitete er als Werbetexter, Pressereferent und auch als Redakteur. 2008 wechselte er das Metier und wurde Lehrer an der Bertha-von-Suttner-Schule.
Kurzprosa und Lyrik
Der Kunst war Liersch schon immer zugetan. Nicht nur den Kollagen, denn Liersch ist vielseitig begabt. So schreibt er außer Kurzprosa auch Lyrik und komponiert auf der Gitarre. Zudem ist er Mitglied des hessischen Schriftstellerverbandes und leitet die kreative Schreibwerkstatt der Volkshochschule im Kreis Groß-Gerau. Über letztere kam Liersch dann auch zu der Ausstellung. Claudia Rügner, Teilnehmerin der Schreibwerkstatt und Referentin des Ersten Stadtrats Franz Urhahn, schlug Liersch vor, die Kollagen auszustellen.
"Kollaborationen" kann noch bis zum 14. Oktober im ersten Obergeschoss des Walldorfer Rathauses besichtigt werden. Wer selbst einmal etwas in der Reihe "Flurexponate" vorstellen will, kann sich an das Rathaus wenden.